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SSRQ ZH NF I/1/3 133-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 3: Stadt und Territorialstaat Zürich II (1460 bis Reformation), da Michael Schaffner

Citazione: SSRQ ZH NF I/1/3 133-1

Licenza: CC BY-NC-SA

Ordnung der Stadt Zürich betreffend Erbschaften sowie Erläuterung des Verfahrens bei Erbfällen mit unklaren Verwandtschaftsverhältnissen

1527.

Bürgermeister, Kleiner und Grosser Rat der Stadt Zürich erlassen eine Ordnung betreffend Erbschaften, nachdem zuvor in diesem Bereich zahlreiche Unklarheiten bestanden haben, namentlich in Fragen der Verwandtschaft sowie betreffend die Unterscheidung zwischen fahrendem und liegendem Gut. Die Ordnung definiert das Erbrecht von Eltern und Kindern (1); Geschwistern (2); Nichten und Neffen (3); Grosseltern (4-6). Festgelegt werden auch die zur Erbschaft berechtigten Verwandtschaftsgrade in männlicher und weiblicher Linie (7-8) sowie die Unterscheidung zwischen fahrendem und liegendem Gut bei Renten und Gülten (9-13). Die vorliegende Ordnung ist gültig für die Stadt Zürich und ihr Herrschaftsgebiet, insbesondere auch für die Bewohner des Zürichseeufers (14). Bei unklaren Verwandtschaftsverhältnissen sollen diejenigen Parteien, die Anspruch auf das Erbe anmelden, dies schriftlich hinterlegen und ihre Verwandtschaft innert drei Mal 14 Tagen durch zwei leiblich vor dem Gericht anwesende, unbefangene Zeugen beweisen. Im Anschluss wird der Besitz des Verstorbenen durch Gantmeister, Pfundschillinger, Gerichtsschreiber und Weibel geschätzt. Seitens der Erben ist eine Bürgschaft zu hinterlegen, für den Fall, dass innerhalb von einem Jahr weitere erbberechtigte Verwandte erscheinen (15-17).

Die vorliegende Ordnung enthält die grundlegenden Bestimmungen des Erbrechts der Stadt ZürichLuogo: . Sie wurde in einer ersten Fassung im Jahr 1419 erlassen (StAZH B II 3, fol. 68r-69r; Edition: Zürcher Stadtbücher, Bd. 2/1, S. 116-119, Nr. 146). Einige frühere Bestimmungen finden sich bereits im Richtebrief, vgl. namentlich SSRQ ZH NF I/1/1, S. 221-222. Die vorliegende Niederschrift stammt von der Hand des Schreibers des um das Jahr 1527 angelegten ersten Gerichtsbuches der Stadt ZürichLuogo: , woraus sich auch ihre Datierung ergibt. Im Unterschied zur ersten Fassung findet sich hier zusätzlich eine Regelung des Vorgehens bei unklaren Verwandtschaftsverhältnissen der Erblasser. Es ist zu vermuten, dass dieser Teil einer schon länger existierenden Praxis des StadtgerichtsOrganizzazione: entspricht, die aber anlässlich der Anlegung des Gerichtsbuches zum ersten Mal ausführlich verschriftlicht wurde. Wichtige ergänzende Bestimmungen betreffen insbesondere das Erbrecht von Witwen sowie von Eheleuten allgemein (SSRQ ZH NF I/1/3 1-1; SSRQ ZH NF I/1/3 193-1).

Zur vorliegenden Ordnung vgl. Matter-Bacon 2016, S. 229-230; Weibel 1988, S. 33-40.

Testo editionale


Wie die lutt einandern
erben soͤllent


Wir, der burgermeister, die raͧtt unnd der groß ratt, den man
nempt die zweyhundert der statt Zu̍richLuogo:
Organizzazione:
, thuͦnd zewu̍ssen,
als unntzhar vil gebresten ist gewesen von erben wegen, so
dann fallent, daruß man sy dann nitt wol gerichten konnd
von der sipp wegen etcAbbreviazione, dann ouch von soͤllichs guͦtz wegen,
so an varender hab geleitt wirtt, uff stett oder ander lu̍tt umb
jerlichDurata ripetuta: 1 anno gu̍ltt, da ouch ettwa dick irsal ist gewesen von
des wegen, das ein frow, dero man abstarb unnd soͤllich guͦtt
hatt, von dem selben guͦtt den dritten pfenningValuta: 1 centesimo haben woltt
unnd meinte, es soͤltte varend guͦtt sin unnd aber des
aberstorbnen erben meintten, es soͤllte ligend guͦtt sin, das wir
da mitt gemeinem, einhelligem raͧtt diser nochgeschribnen
gesatzten unnd ordnungen mitt einandern u̍berkomen syen, haben
unns ouch erkenntt, das man hinenthin da by beliben und
sy staͤtt haltten sol unnd verschribend ouch das, umb das sich
jederman umb vorgeschriben sachen wu̍sse zerichten und darnach
zehalten unnd sy ze entscheiden.
Des ersten, das ein elich kind sin vatter unnd sin muͦtter
erben sol unnd ein vatter sine kind, die nitt a
eliche kind hinder inen lassent.
[fol. 5v]Interruzione di pagina

Darnach sol ein geschwistergitt das ander, das syent knaben
oder toͤchtern, die vatter halb eliche geschwistergitt sind, ouch
einandern erben, die nitt elich lib erben hand, unnd sol
ein muͦtter ir kind nitt erben.

Darnach soͤllent bruͦder kind erben vor schwoͤster kinden.
Werent aber nitt bruͦder kind da, so moͤgent dann schwoͤster
kind erben.

Ouch sol ein aͧny sines suns kind erben, ob die ane vatter
unnd an ellich lib erben ald an eliche geschwistergitt, die von
dem vatter geschwistergitt werent, absterbent.

Es sol ouch ein kind sinen aͤny unnd sin annen erben, das
syent knaben oder tochtern, ist das der aͤny und die ana
an elich lib erben abgand, es were dann, das darinn dehein
gemaͤcht mitt eines raͧttesOrganizzazione: willen beschechen were oder noch
bescheche.1

Item unnd wenn die sippschafft dafur hin kumpt, wer dann
des totten mentschen vatter aller nechst sipp ist, der sol den
selben todten mentschen erben, usgenomen ein ana, die sol
nitt erben.
[fol. 6r]Interruzione di pagina

Witter, so ist von einem burgermeister unnd raͧtOrganizzazione: erkenntt,
das in erbfaͤllen, wann vatter mag da syge, zuͦ der vierdenQuantità: 4
linyen unnd nitt witter, das dann da muͦtter mag nu̍tzit
erben soͤlle, in deheinen weg. Wann es aber u̍ber die vierdenQuantità: 4
Disegno a penna e inchiostro linyen kome, soͤlle dann muͦttermag zuͦ der vierdenQuantità: 4 und vatter
mag zuͦ der fu̍nfftenQuantità: 5 linyen zuͦ glichem erb unnd teyl gan
soͤllint.

Unnd welliche u̍ber die fu̍nfftenQuantità: 5 linyen in glicher linyen stand,
es syge vatter oder muͦtter magen, die soͤllent ouch zuͦ glichem
erb stan, jemer mer ushin, als ver man das gerechnen kan.

Item, so habent wir uns dann erkenntt unnd gesetzt umb guͦtt,
so man lichtt uff stett, uff guͤtter ald jeman dem andern unnd
man jerlichDurata ripetuta: 1 anno gu̍ltt in kouffs wise oder sust darumb geben sol
unnd soͤllich guͦtt gelichen und die gu̍llt koufft wirtt, wie das
beschicht in soͤllicher mass, als man eigen gu̍llt und guͦtt kouffen
mag, ungefarlich, darinne der, so das gelt lichet und die
gu̍ltt kouffet, umb das hoͧptguͦtt oder den widerkouff nitt manen
oder noͤtten mag, wie wol der verkoͧffer den wider kouff und
die losung tuͦn mag, das das selb guͦtt sol heissen unnd sin
ligend guͦtt unnd nitt varend guͦtt.
[fol. 6v]Interruzione di pagina

Wo aber jeman dem andern soͤllich guͦtt lichett umb jerlichDurata ripetuta: 1 anno
gu̍ltt oder genanten zins, es gange in kouffs wise zuͦ oder sust,
unnd der, so das geltt lichet, im selber vorbehept umb sin
hoptguͦtt unnd den widerkouff ze manen unnd man im das
gebunden were zuͦgeben, ob er woͤllt, es syge u̍ber kurtz oder
lang, soͤllich guͦtt sol heissen unnd sin varend guͦtt unnd
nitt ligend guͦtt.

Was ouch guͦttes gelichen unnd gu̍ltt koufft wirtt, darinn
verzickt tag werdent gemacht, unnd kumpt das in den
verdingten zilen unnd verzickten tagen zuͦ fal, das sol aber
varend guͦtt sin.

Item was ouch soͤllichs guͦtz, als hie vor ist geschriben, biß uff
hu̍ttigen tag, als wir dis ordnungen unnd satzungen habend
gemacht, als das, dz darumb wiset, ze val ist komen, daby
sol jeder man beliben by sinem rechten, als man ouch das
ungefarlich unntzher hatt gehaltten.

Ouch was jemand vor dattum diser gesatzt pfandschafft
hatt gehept unnd noch haͧtt, das sol ouch hinenthinn
ligend guͦtt heissen unnd sin.
[fol. 7r]Interruzione di pagina

Wir habend unns ouch erkenntt, das die unnsern
in unnsern eignen gerichten, sonnderbaͧr an dem Zu̍richseeLuogo: ,
die vorgeschribnen rechte unnd gesatzten haltten unnd daby
beliben soͤllent als wir, ungefarlich.2

Dis ernu̍wrung, erkannttnu̍ße unnd gesatzten sind
beschechen an dem zwoͤlfften tag rebmanotz anno domini
mo cccco decimo nono
Data di origine: 12.2.1419
.

Es ist ouch der statt unnd gerichtz recht unnd altte satzung,
so jemand, wer der syge, heimsch oder froͤmbd, der ein erb hie
Zu̍richLuogo: beziechen wil, des fru̍ntschafft nitt gar offenbar oder
zwoQuantità: 2 parthygid den erbfal zuͦ beziechen vermeinend, so sol
der selbig des ersten in sippschafft nemmen unnd uffschriben
lassen. Unnd so das selb beschicht unnd im die uffgeschribend
sippschafft vorgelesen wirtt, so sol er dann soͤlliche sippschafft
in den nechsten dryg vierzechend tagenPeriodo: 42 giorni mit zweyQuantità: 2 unpatthygischen
personen e bewisen, so da liplich vor gericht standint unnd
soͤlliche uffgeschribne sippschafft waͧr zuͦ sinde sagend. Unnd das
ouch die selben kunttschaffter an soͤllichem erb weder zuͦ
gewu̍nnen noch zuͦ verlu̍ren habind.
[fol. 7v]Interruzione di pagina

Unnd so dann also soͤlliche sippschafft, wie recht ist, bewisd
wirtt, so sol dann das guͦtt des abgangnen mentschen
durch die geschwornen ganttmeister in bysin der
pfundschillingern, des gerichtschribers und gerichtweibels
geschetzt werden unnd demnach, so der statt der abzug (ob
er iro davon gehoͤrtt), deßglichen den ganttmeistern ir lon
abzogen wirtt, das u̍brig guͦtt vertrost werden, ob jemand
in jarsPeriodo: 1 anno frist kome, der als guͦtt ald besser recht zuͦ soͤllichem
erb hette, als die selben personen, das dann die trostung darumb
ein jarPeriodo: 1 anno hafft syge.

Unnd sol soͤlliche trostung vor gericht mitt zweyenQuantità: 2 in gesessnenn
burgern, so dem ererbten guͦtt gemaͤss unnd statthafft
erkenntt moͤgen werden, beschechen, on alle gfaͤrd, die selben
troͤster ouch dann an des schultheissen hande unnd des gerichtz
stab geloben unnd versprechen soͤllent, darumb troͤster zuͦ
sinde, wie obstatt.
[Nota dorsale al di sotto della riga da una mano del secolo XVIII:] Erbrecht

Annotatione

  1. Soppressione: eliche er.
  2. Aggiunta al di sopra della riga da una mano più recente:
    Gellt ußlichen und gu̍lt kouffen.
  3. Aggiunta al di sopra della riga da una mano più recente:
    Ker ijQuantità: 2 blatt umb bis zuͦ ermelter dingen.
  4. Aggiunta al di sopra della riga da una mano più recente:
    Sipschafft zeerben.
  5. Soppressione: v.
  1. Zur Regelung letztwilliger Verfügungen vgl. die Ordnung des Jahres 1467 (SSRQ ZH NF I/1/3 7-1).
  2. An dieser Stelle folgt in der Fassung von 1419 ein späterer Zusatz des Jahres 1439, wonach steinerne und hölzerne Gebäude, Trotten und Mühlen stets als liegende Güter betrachtet wurden (Zürcher Stadtbücher, Bd. 2/1, S. 119, Nr. 146).