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SSRQ ZH NF I/1/3 184-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 3: Stadt und Territorialstaat Zürich II (1460 bis Reformation), da Michael Schaffner

Citazione: SSRQ ZH NF I/1/3 184-1

Licenza: CC BY-NC-SA

Gerichtliche Untersuchung des Rats der Stadt Zürich zum Tod einer bedürftigen Wöchnerin sowie Bestimmung betreffend Hilfeleistungen durch den Obmann des Almosenamtes

1544 novembre 5.

Bürgermeister Diethelm Röist und beide Räte der Stadt Zürich nehmen Kenntnis von den Zeugenaussagen zum Tod einer bedürftigen Wöchnerin. Für die Zukunft bevollmächtigen sie den Obmann des Almosenamtes, in dringenden Fällen bedürftigen Personen unverzüglich Hilfe zu leisten, auch ohne vorgängige Bewilligung der Pfleger des Almosenamtes.

  • Collocazione: StAZH A 61.1, Nr. 23
  • Data di origine: 1544 novembre 5
  • Tradizione: Aufzeichnung (Doppelblatt)
  • Supporto alla scrittura: Papier
  • Formato l × a (cm): 21.5 × 31.0
  • Lingua: tedesco

Die vorliegende Aufzeichnung entstand im Zusammenhang mit einem Nachgang, also einer durch den Kleinen RatOrganizzazione: eingeleiteten gerichtlichen Untersuchung. Sie steht exemplarisch für den Umstand, dass neben normativen Texten zum ZürcherLuogo: Almosenwesen aus dem 16. Jahrhundert auch zahlreiche Aufzeichnungen über bedürftige Einzelpersonen, die Unterstützung durch das AlmosenamtOrganizzazione: in Anspruch nahmen oder sich darum bemühten, überliefert sind. Die bei der Durchführung von Nachgängen zu beachtenden Abläufe waren genau geregelt (SSRQ ZH NF I/1/3 60-1).

Die aufgenommenen Zeugenaussagen zum Fall der verstorbenen Wöchnerin werfen ein Licht auf die verschiedenen Anlaufstellen, die Hilfesuchenden im frühneuzeitlichen ZürichLuogo: potentiell zur Verfügung standen: Neben den Wachtmeistern waren dies Nachbarn, nahe Verwandte sowie das AlmosenamtOrganizzazione: . Der Fall illustriert auch, dass die verhältnismässig neue Präsenz der städtischen Fürsorge zu Abstimmungsproblemen zwischen den verschiedenen beteiligten Parteien führte, so dass die bedürftige Frau am Ende – bis auf ihre selbst an Aussatz erkrankte Mutter – alleine dastand. Aus Sicht des Kleinen RatsOrganizzazione: dürften die Umstände des Todes der Frau insofern von Bedeutung gewesen sein, als der Schutz von Wöchnerinnen explizit in der Almosenordnung der Stadt ZürichLuogo: vom 15. Januar 1525 verankert war (SSRQ ZH NF I/1/3 125-1). Nach den dortigen Bestimmungen wären der Frau zur Verpflegung Wein, Brei und Brot sowie je nach den Umständen weitere Hilfeleistungen zugestanden. Die von Bürgermeister und RatOrganizzazione: im Anschluss an die gerichtliche Unterschung beschlossene Massnahme sollte die Handlungsfähigkeit des Almosenobmanns in solchen dringlichen Situationen verbessern, indem nicht zuerst die Zustimmung der Almosenpfleger eingeholt werden musste.

Allgemein zum ZürcherLuogo: Almosenwesen vgl. Moser 2010; Denzler 1920; zum Stellenwert nachbarschaftlicher Netzwerke im spätmittelalterlichen ZürichLuogo: vgl. Sutter 2002.

Testo editionale


Nachgang einer armen frowen
halb


Herr Niclaus WyßPersona: seit, das die frow inn sin hus
komenn, im ir armuͦt anzoigt und inn, diewyl er ein wachtmeister syge, umb hilff und ratt angesuͦcht. Damit iro inn
ir großenn armuͦt gehulffenn werde, habe er sy zu Caspern
von Ler
Persona:
, dem obman am allmuͦsenOrganizzazione: gewysenn, ouch selbs mit
gemeltem von LerPersona: von der frowen wegen geret und inn
gebettenn, das er iro drygValuta: 3 batzen oder vier batzenValuta: 4 batzen geͣbe, so moͤge sy
dann destbas erwarten, biß er die pfleger deß allmuͦsensOrganizzazione:
irs handels und armuͦt underrichte. Da seite er, das er sy
dhein gwalt hett und welte iro nüdt gen, so ers aber den
pflegern anzoigt, was inn dann dieselben hiessint, das wet
er thuͦn. Demnach keme Uͦli HelblingPersona: , der armenn
frowen nachpurenn einer, zuͦ im inn der metzg und seit,
oͤb er nit wüße, wie es der armen frowen gangen, antwurte er im, nein. Da seite der genant HelblingPersona: , wie die frow
ratlose und hungers halb hette muͤssenn sterbenn. Und redte
soͤllichs so offenlich, das es vil lüt gehoͤrt habint.

Uli HelblingPersona: seit, das er uß erbermdt und vonAggiunta al di sopra della riga con un carattere di inserimentoa bit
wegenn mit herr Niclous WyßenPersona: zum obman deß allmusesOrganizzazione: gangen, demselbigen der armen frowen grossen mangel und armuͦt und wie syCorrezione al di sopra della riga, sostituisce: jetzb eines kinds gnesen und weder
zuͦessenn noch zuͦtrinckenn, ouch sontst gar dhein rat nit
habe, anzoigt und inn gebeten, das er iro etwas geͤbe, damit
sy nit gar verderbe. Da seite er, das er es nit doͤrffte
thuͦn, und es kemint in der sachen vil fu̍r, deshalb er
soͤlliches alles den pflegern anzoigen welte, was sy inn dann
hiessint, das wet er thuͦn. Daruff antwurte er im, es
wurde der frowen zuͦspat, aber er welte iro gar nützit
gebenn, sonders vorhin die pfleͣger darumb fragenn. Das
habe sich so lang verzogen, biß das die frow gestorben syg[e]Danneggiato da rifilatura (al margine della carta), completato per analogiac. [p. 2]Interruzione di pagina
Welliche so gar arm gewesenn, das iro niemants pfleͣgenn
wellenn, biß zuͦletst keme ir muͦter, so an der SpanweidLuogo: in
der sondersiechenn husOrganizzazione: 1 syge, zuͦ iro und habe iro gepflegt.

Deßglichenn seit d–er, HelblingPersona: Correzione sul margine sinistro, sostituisce: sy–d, das dye frowAggiunta al di sopra della riga con un carattere di inserimentoe so grossen turst glittenn, wie
f sy genesen, das sy ein junges buͦbli, so iro were, gebetten, iro waßer zuͦbringenn, dann sy sontst nudt zuͦtrinckenn hette. Da habe sy schier ein halbsQuantità: 0.5 getzi vol ußtrunckenn und lebte nit lang darnach, dann iro das
waßer gar wee gethan und sy dermassen verderbt habe,
das sy nachin nüdt mer toͤwen moͤgen.
[p. 3]Interruzione di pagina [p. 4]Interruzione di pagina
[Nota dorsale sul verso:]


Nachgang uber den
obman am almuͦsenOrganizzazione:


Man gab im gewalt den luthen g inn
sollichen nötten angends, on wytter fragen
h unntz wyter an die pfleger, die hand
zubietten.
Uff der heiligen drygen
konigen abent 1544
Data di origine: 5.1.1544
, pntpresentibus herr RoystPersona:
unnd beyd räthOrganizzazione: .

StattschrStattschriber
[Nota dorsale sul verso da una mano del secolo XVIII:]
Bericht wegen einer aus hunger und hilflos gestorbenn
kindbetherin, 1544Data: 1544

Annotatione

  1. Aggiunta al di sopra della riga con un carattere di inserimento.
  2. Correzione al di sopra della riga, sostituisce: jetz.
  3. Danneggiato da rifilatura (al margine della carta), completato per analogia.
  4. Correzione sul margine sinistro, sostituisce: sy.
  5. Aggiunta al di sopra della riga con un carattere di inserimento.
  6. Soppressione: das.
  7. Soppressione: hier.
  8. Soppressione: die.
  1. Zum Siechenhaus an der SpanweidLuogo: Organizzazione: vgl. die Ordnung für dessen Kaplan (SSRQ ZH NF I/1/3 174-1).