SSRQ ZH NF I/2/1 253-1
Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Zweite Reihe: Die Rechtsquellen der Stadt Winterthur. Band 1: Die Rechtsquellen der Stadt Winterthur I, von Bettina Fürderer
Zitation: SSRQ ZH NF I/2/1 253-1
Lizenz: CC BY-NC-SA
Gerichtsverfahren in Winterthur gegen geständige Delinquenten bei Kapitalverbrechen
1530.
Stückbeschreibung
- Signatur: STAW B 3a/1, fol. 60r-v
- Originaldatierung: 1530 Überlieferung: Aufzeichnung
- Beschreibstoff: Papier
- Format B × H (cm): 23.5 × 34.0
- Sprache: Deutsch
Kommentar
1417 gewährte König SigmundPerson: der Stadt WinterthurOrt: das Recht, Todesstrafen und Körperstrafen zu verhängen und zu vollstrecken (SSRQ ZH NF I/2/1 51-1), wobei der Blutbann dem Schultheissen jeweils durch den Ratsältesten verliehen wurde (SSRQ ZH NF I/2/1 101-1). Die erste Blutgerichtsordnung datiert von 1436, sie regelte den Ablauf des Verhörs beschuldigter Personen und das Prozedere nach dem Urteilsspruch (SSRQ ZH NF I/2/1 67-1). Das Blutgericht setzte sich aus jeweils zwölf Mitgliedern des KleinenOrganisation: und des Grossen RatsOrganisation: unter dem Vorsitz des Schultheissen zusammen, wie aus der Vorbemerkung der Verfahrensordnung für Akkusationsprozesse hervorgeht, die im ersten Drittel des 17. Jahrhunderts aufgezeichnet wurde (STAW AG 95/1/95, S. 1). Der darin festgelegte Ablauf des Gerichtsverfahrens spiegelt sich jedoch schon in früheren Urteilen wider, vgl. SSRQ ZH NF I/2/1 271-1. Die vorliegende Aufzeichnung ist im Formularbuch des Stadtschreibers Gebhard HegnerPerson: (1522-1537) enthalten. Zum WinterthurerOrt: Blut- oder Malefizgericht vgl. Ganz 1960, S. 282-285; Ganz 1958, S. 273-274; Schmid 1934, S. 54-60.
Das von Gebhard HegnerPerson: angelegte und von seinen Nachfolgern fortgeführte Kopial- und Satzungsbuch, das heute nur mehr in einer Abschrift des 18. Jahrhunderts überliefert ist, sowie das 1629 von Hans Konrad KünzliPerson: angelegte und bis ins 18. Jahrhundert fortgeführte Kopialbuch enthalten eine jüngere und detailliertere Version der Verfahrensordnung für Inquisitionsprozesse, in welchen der oberste Stadtknecht als Ankläger des Delinquenten auftrat. Das Gerichtsverfahren gliederte sich in 14 Einzelschritte (winbib Ms. Fol. 27, S. 389-393; winbib Ms. Fol. 49, S. 649-654). War der Täter flüchtig und erhoben die Hinterbliebenen Anklage, wurde ein sogenannter «landtag» abgehalten, bei dem ein abweichendes Klageverfahren zur Anwendung kam (SSRQ ZH NF I/2/1 271-1). Zu den beiden Verfahrensarten, dem Akkusationsprozess und dem Inquisitionsprozess, vgl. Isenmann 2012, S. 497-498, 504-506; HLS, Prozessrecht; Kabus 2000. Zu den Verfahrensschritten in Form von Frage-Antwort-Formeln im Rahmen der Gerichtseröffnung vgl. Kocher 1971, S. 50-64. Zum Blutgerichtsverfahren der Stadt WinterthurOrt: vgl. Gut 1995, S. 124-129.
Editionstext
Ordnung der fragen, wie die der schultheis sol thuͦn, so man uber das bluͦt richten will
Laus deoSprachwechsel: Latein.
Anmerkungen
- Hinzufügung auf Zeilenhöhe.↩
- Hinzufügung am linken Rand mit Einfügungszeichen.↩
- Hinzufügung am linken Rand mit Einfügungszeichen.↩
- Hinzufügung unterhalb der Zeile.↩
- Korrigiert aus: gericht.↩
- Korrigiert aus: penfall.↩
- Eine jüngere Fassung dieser Verfahrensordnung gibt die hier wohl irrtümlich ausgelassene Feststellung des Gerichts wieder: «Soll erkent werden, dwyl es also ver in tag worden, daß einer tags wohl ein meilLängenmass: 1 Meile wegs hett mögen reiten, daß es dann nuͦn wohl tags zitZeitspanne: tags sige zerichten.» (winbib Ms. Fol. 27, S. 389).↩
- In der jüngeren Verfahrensordnung wird präzisiert, dass der als Ankläger auftretende oberste Stadtknecht ein Mitglied des KleinenOrganisation: oder Grossen RatsOrganisation: zum Fürsprecher nehmen sollte, das nicht an dem Verhör des Angeklagten teilgenommen hatte (winbib Ms. Fol. 27, S. 390).↩
- Drei Mitglieder des Kleinen RatsOrganisation: und vier Mitglieder des Grossen RatsOrganisation: mussten beim Verhör des inhaftierten Delinquenten anwesend sein (winbib Ms. Fol. 27, S. 389).↩
- In der jüngeren Verfahrensordnung sind der fünfte und sechste Prozessschritt zusammengefasst (winbib Ms. Fol. 27, S. 391).↩
- Die sieben als Zeugen aufgebotenen Mitglieder des KleinenOrganisation: und Grossen RatsOrganisation: sollten im weiteren Verlauf nicht mehr vom Schultheissen aufgefordert werden, ihr Urteil abzugeben (winbib Ms. Fol. 27, S. 391).↩
- Dieser Prozessschritt wird in der jüngeren Verfahrensordnung auf den 6. bis 10. Artikel aufgeteilt (winbib Ms. Fol. 27, S. 391).↩
- In der jüngeren Verfahrensordnung wird dieser Schritt im 12. Artikel behandelt. Er folgt einem Prozessschritt, der in der älteren Version nicht enthalten ist, der Umfrage des Schultheissen nach dem Urteilsspruch des Richterkollegiums: «Am einlifften, so der knecht ußgestanden ist, fragt der richter den fürsprechen widerum um ein urteill an und darauff durch umhin, ußgenommen die, wie sie oben genent sind, nit. So die urteill gemehret und der arm mensch verurteilt ist, fragt der richter weiter.» (winbib Ms. Fol. 27, S. 392).↩
- In der jüngeren Verfahrensordnung wird dieser Schritt im 13. Artikel behandelt (winbib Ms. Fol. 27, S. 392).↩
- In der jüngeren Verfahrensordnung wird dieser Schritt im 14. Artikel behandelt (winbib Ms. Fol. 27, S. 393).↩
Regest