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SSRQ ZH NF I/1/11 99-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 11: Gedruckte Mandate für Stadt und/oder Landschaft Zürich, da Sandra Reisinger

Citazione: SSRQ ZH NF I/1/11 99-1

Licenza: CC BY-NC-SA

Verordnung der Stadt Zürich betreffend Mobilmachung zum Abmarsch nach Stäfa wegen dem Stäfnerhandel

1795 giugno 30.

Nachdem gesetzeswidrige Anlässe in Stäfa stattgefunden haben und die verantwortlichen Personen trotz mehrmaliger Aufforderung nicht vor dem Rat erschienen sind, erlässt die Zürcher Obrigkeit eine Verordnung. Damit die gesellschaftliche Ordnung aufrechterhalten werden kann, ist die Obrigkeit trotz zweimaliger Warnung an die Gemeinde Stäfa gezwungen, Gewalt anzuwenden. An alle Soldaten geht daher die Aufforderung, sich in ihrer Montur und Armatur sowie mit ihrer Munition auf dem Sammelplatz einzufinden und ihren Offizieren Gehorsam zu leisten.

Am Ende des 18. Jahrhunderts wurde auf der ZürcherLuogo: Landschaft zunehmend Kritik an der bestehenden Ordnung laut, die vor allem im Rahmen der neu entstandenen Lesegesellschaften geäussert wurde. 1793 wurde in der Gemeinde StäfaLuogo: eine solche LesegesellschaftOrganizzazione: gegründet, worin hauptsächlich patriotisch gesinnte Mitglieder der ländlichen Oberschicht vertreten waren. Das am 11. November 1794 in der StäfnerLuogo: LesegesellschaftOrganizzazione: vorgetragene Memorial von Heinrich NehracherPersona: enthält verschiedene Klagen an die ZürcherLuogo: Obrigkeit. Konkret ging es um die Einführung von Handels- und Gewerbefreiheit für die Landschaft, die Ablösung von Zehnten und Grundlasten, die vollständige Aufhebung der Leibeigenschaft (Todfall), die Gleichstellung im Wehrwesen und die Wiederherstellung von Gemeinderechten und Gemeindefreiheiten. Bevor das Memorial jedoch der Regierung vorgelegt werden konnte, hatte diese schon davon Kenntnis erhalten und erliess am 24. November 1794 eine Verordnung betreffend Anzeigepflicht von obrigkeitsfeindlichen Personen und Schriften (StAZH III AAb 1.16, Nr. 39). Ausserdem wurden die am Memorial beteiligten Personen Heinrich NehracherPersona: , Johann Caspar PfenningerPersona: und Andreas StaubPersona: verhört und schliesslich verbannt. Das scharfe Vorgehen der ZürcherLuogo: Obrigkeit führte in der ersten Hälfte des Jahres 1795 dazu, dass mehrere Seegemeinden aus Solidarität mit den Verurteilten in den Waldmannschen Spruchbriefen von 1489 und dem Kappelerbrief von 1532 (SSRQ ZH NF I/1/3, Nr. 151) nach alten Freiheitsgarantien für die Landschaft forschten. Ende März 1795 wurden ein Waldmannscher Spruchbrief als beglaubigte Abschrift in KüsnachtLuogo: und eine Kopie des Kappelerbriefes in HorgenLuogo: aufgefunden.

Trotz des obrigkeitlichen Verbots fand am 16. Mai 1795 in StäfaLuogo: eine Gemeindeversammlung statt, worin die StäfnerOrganizzazione: beschlossen, die alten Briefe zu verlesen und bei der Obrigkeit nachzufragen, inwiefern die darin enthaltenen Bestimmungen noch gültig seien. Ausserdem sollte Einzelzitationen vor den RatOrganizzazione: nicht mehr Folge geleistet werden. Diese Gemeindeversammlung und das wiederholte Ausbleiben mehrerer StäfnerOrganizzazione: vor dem RatOrganizzazione: waren unter anderem der Auslöser für die am 29. Juni 1795 ergangenen Beschlüsse der ZürcherLuogo: Obrigkeit. So ordnete der RatOrganizzazione: an, dass ein in Standesfarben gekleideter Bote der Gemeinde StäfaLuogo: den Befehl überbringen sollte, sich am 30. Juni zu versammeln, um ein obrigkeitliches Schreiben bezüglich der rechtswidrigen Gemeindeversammlung von ihrem Vogt anzuhören. Ausserdem sollten die verantwortlichen Personen am 1. Juli vor dem RatOrganizzazione: erscheinen. Im Falle des Nichterscheinens werde die Obrigkeit militärische Massnahmen ergreifen. In derselben Ratssitzung wurde des Weiteren dem Geheimen RatOrganizzazione: der Auftrag erteilt, eine Erklärung in Form der vorliegenden Verordnung zu verfassen und diese am 30. Juni vor den Mitgliedern der Gesellschaft zur KonstaffelOrganizzazione: und aller Zünfte verlesen zu lassen. An sämtliche eidgenössischen StändeOrganizzazione: und zugewandten OrteOrganizzazione: ergingen Schreiben, worin auf die bevorstehende Mobilisierung hingewiesen sowie um militärische Unterstützung ersucht wurde (StAZH B II 1050, S. 12-15). Da bereits am 30. Juni 1795 aus dem mündlichen Bericht des Boten klar wurde, dass die aufrührerischen Bewohner StäfasLuogo: weder vor dem RatOrganizzazione: erscheinen würden noch von ihrem Vorhaben abzubringen waren, erhielt der Geheime RatOrganizzazione: die Befugnis, alle notwendigen militärischen Vorkehrungen zu treffen (StAZH B II 1076, S. 103-104).

Als Strafmassnahmen gegen StäfaLuogo: verordnete der Geheime RatOrganizzazione: , dass die Gemeinde vom städtischen Kornmarkt verbannt, nicht mehr durch das AlmosenamtOrganizzazione: unterstützt und von der öffentlichen Krankenpflege ausgeschlossen werde sowie alle ansässigen StäfnerOrganizzazione: aus der Stadt ZürichLuogo: weggewiesen werden sollten. Ausserdem wurde StäfaLuogo: ab dem 5. Juli 1795 neun Wochen lang belagert. Am 13. Juli erliess die ZürcherLuogo: Obrigkeit eine Erklärung, dass weder die Waldmannschen Spruchbriefe noch der Kappelerbrief gültig seien (StAZH III AAb 1.16, Nr. 49). Schliesslich erfolgte am 2. September 1795 die Mitteilung der ausgesprochenen Urteile über die beteiligten Personen. Die Strafen beinhalteten Verbannungen, Gefängnishaft, Geldbussen und Güterkonfiskationen, jedoch keine Todesurteile. Ausserdem wurden die Gemeinden StäfaLuogo: und HorgenLuogo: mit Bussen, mit dem Entzug der Abhaltung des Maiengerichts sowie mit der Konfiskation ihrer Waffen bestraft (StAZH III AAb 1.16, Nr. 50).

Nachdem es in den Jahren 1796 und 1797 zu einzelnen Reformen im Bereich des ZürcherLuogo: Staatswesens kam (vgl. beispielsweise die Bürgerrechtsaufnahmen von 1796: StAZH III AAb 1.16, Nr. 61), erfolgte erst im Jahre 1798 eine völlige Amnestie für alle am Stäfnerhandel beteiligten Personen (vgl. die Verordnung betreffend Amnestie von 1798: SSRQ ZH NF I/1/11 104-1).

Zum Stäfnerhandel vgl. HLS, Stäfnerhandel; Graber 2003a; Ulrich 1996, S. 493-496; Mörgeli 1995; Wartburg 1956.

Testo editionale


Wir Burgermeister Klein und Grosse
Raͤthe, so man nennet die Zweyhundert der Stadt ZuͤrichLuogo:
Organizzazione:
, entbieten allen unsern getreuen, lieben Verburgerten und Angehoͤrigen unsern bestgemeinten Willen und da bey zu vernehmen:

Ungeachtet Wir immerhin mit unermuͤdetem Bestreben fuͤr die Ruhe, das Gluͤck, und den
Wohlstand Unsers Landes, auch besonders bey den gegenwaͤrtigen schweren Zeiten fuͤr den so wichtigen, dabey aber aͤusserst schwierigen Unterhalt desselben treu und vaͤterlich gesorgt haben ‒ ungeachtet Wir durch Unsere ununterbrochnen und oft kummervollen Rathschlaͤge dem allgemeinen Vaterland seine koͤstliche Ruhe und den nie genug zu schaͤtzenden Frieden zu erhalten getrachtet, auch
mit Gottes seegnendem Beystand und der klugen und kraͤftigen Mitwuͤrkung Unserer G L EGnaͤdigen Lieben EidgenossenOrganizzazione:
und Verbuͤndeten diesen Endzweck bisdahin gluͤcklich erreicht haben, ‒ und ungeachtet endlich, Wir
jederzeit Unsere Angehoͤrigen mit Sanftmuth und Liebe geleitet und erst neulich jene auf die gefaͤhrlichsten Abwege verirrten mit der moͤglichsten Schonung und Langmuth behandelt haben: So hat
es sich dennoch bedauerlicher Weise ereignet:

Daß nicht nur einige derselben, geblendet von strafbarem Ehrgeiz, Stolz und eitler
Neuerungsbegierde, auf foͤrmlich an sie auch von hoͤchster Behoͤrde abgegangene Citationen
widerhollt ausgeblieben sind, sondern daß heute sogar die ganze Gemeinde zu StaͤfaLuogo: eine
daselbst entstandene Gesez- Eid- und Pflicht-widrige Verbindung wider Unsere feyerlichsten Befehle, gerade nach Anhoͤrung derselben, auf die vermessenste Art von neuem bestaͤtigt
und also ihrer hohen und vaͤterlichen Landesobrigkeit den schuldigen Gehorsam schnoͤder
Weise gaͤnzlich aufgesagt hat.

Damit nun alle gute Ordnung und Sicherheit nicht gaͤnzlich zerruͤttet, das unabsehbahre Elend und die unaussprechlich traurigen Folgen innerer Empoͤrung, auf unserer Landschaft verbreitet, und dadurch jedermann, besonders aber die stillen, ruhigen und rechtschaffnen Einwohner in das groͤste Ungluͤk und Verderben gestuͤrzt werden, ‒ so sehen
Wir Uns in die unausweichliche Nothwendigkeit gesezt, nach Unserer schon zweimal gethanen oͤffentlichen und feyerlichen Erklaͤrung, den von Gott Uns verleihenen obrigkeitlichen
Gewalt zu Abwendung dieses Ungluͤks zu gebrauchen.
Alle Unsre Getreuen Lieben Angehoͤrigen fordern Wir also mit feyerlichem Nachdruk und Landesvaͤterlichem Zutrauen
auf, sich mit Uns zu einem fuͤr die Erhaltung unsers theuern Vaterlands und seiner
wohlthaͤtigen Verfassung so nothwendigen Endzwek zu vereinigen, und mit Standhaftigkeit, Treu und Ergebenheit, alles moͤgliche beyzutragen, was die Ruhe, gute Ordnung
und Sicherheit in demselben wieder herstellen und befestigen kann.

Dem zufolge ergehet nun vorerst an die saͤmmtliche auf dem Piquet stehende Mannschaft, das nachdruksamste Ansinnen und die Aufforderung, sich mit vollstaͤndiger Mont-
und Armatur, nebst Munition und allem so zum Abmarsch noͤthig ist, auf dem ihnen
angewiesenen Sammelplaz einzufinden, und daselbst den in Unserm Namen erscheinenden
Officieren zu gehorsamen und Ihnen willig und gern nachzufolgen; damit auf diese Weise, die Sicherheit der Person und das Eigenthum eines jeden gerettet, das obrigkeitliche
Ansehen aufrecht erhalten, und von Unsrem lieben Vaterland alles Ungluͤk, mit Gottes
maͤchtigem Beystand, fuͤr immer entfernt werden moͤge.
Geben den 30ten Junii 1795Data di origine: 30.6.1795.
Canzley der Stadt ZuͤrichLuogo: Organizzazione: .
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